Vereinschronik – Volkswandern und Westerwaldlauf

12 mal um die Erde gewandert– Der VoWa Rengsdorf geht in die 51. Auflage!

Die „Vorläufer“

Bei der Gründung des TV Rengsdorf vor nunmehr 130 Jahren stand, ganz im Zeichen der Zeit, der Turngedanke im Vordergrund – Turnen an Geräten, aber auch im Freien. Bei Mitliederversammlungen wurde differenziert nach „Turnern“ und „Zöglingen“, man turnte auf Gau- und Bezirksfesten, nach jedem Sommer fand das „Sommerabturnen“ statt und der Oberturnwart war in der Satzung des Vereins bis vor wenigen Jahren fest verankert. Die Ortsgemeinde schenkte dem TV vor dem ersten Weltkrieg ein Grundstück. Dort wurde ein „Turnfeld“ angelegt. Ziel war es, eine eigene Sporthalle zur Aufstellung der Turngeräte zu bauen.

Im ersten Weltkrieg verlor der Verein sein gesamtes Barvermögen, das zum Bau einer Sporthalle angespart worden war: Spenden, verlorene Kriegsanleihen und die anschließende Inflation vernichteten die Rücklagen, so dass in der Hauptversammlung am 17.5.1922 sogar die Auflösung des Vereins zur Sprache kam. Nach Ankauf einer Heeresbaracke konnte ab 1926 der Turnbetrieb in dieser stattfinden.

Aus dieser Zeit stammt auch die Vereinsfahne, die der Vorstand anlässlich einer Erste-Hilfe-Schulung aus der Ecke holte

Bereits früh rückten auch andere Sportarten in den Mittelpunkt des Vereinsinteresses, besonders die Laufwettbewerbe. So erreichten die Mitglieder des TV Rengsdorf 1924 im Mannschaftslauf in Koblenz den 2. Platz.

Bildtext:
Herbst-Geländelauf des Rhein-Mosel-Gaues in Coblenz am 16. Nov. 24

Vom T.V. Rengsdorf nahmen teil: Walter Runkel, Wilhelm Anhäuser, Fritz Runkel, Karl Runkel, Heinrich Schmitz, Erich Bertram, Hans Wilsing, Walter Britz.
In der Turnklasse 5000 mtr wurde Walter Runkel 3. Sieger und Fritz Runkel 6. Sieger.
In der Jugendturner-Klasse wurde Heinrich Schmitz 18. Sieger.
Im Mannschaftslauf erhielt TV Rengsdorf den 2ten Preis.
Gut Heil!

1925 nahm der Verein am „Hermannslauf“ teil, bei dem Vereine aus ganz Deutschland in einem Sternlauf anlässlich des 50. Jahrestages der Einweihung zum Hermannsdenkmal im Teutoburgerwald liefen. Der TV Rengsdorf nahm mit 41 Personen teil; die Laufstrecke ging vom „Kranenberg“ in Andernach über den Westerwald nach Weilburg und von dort weiter im Hauptlauf zum Ziel. Die Rengsdorfer Läufer stießen auf der „Alt-Heck“ dazu: „Antreten 6.45 Uhr – Anzug: kurze Hose und Turnhemd“.

Im 2. Weltkrieg wurden 78 Turner zum Kriegsdienst einberufen, so dass der Sportbetrieb bis 1951 zum Erliegen kam.  Als die Alliierten das Vereinsverbot aufhoben, bildeten sich neue Laufgemeinschaften und bereits in den 50er und 60er Jahren des letzten Jahrhunderts fanden in und um Rengsdorf regionale und überregionale Laufveranstaltungen statt.

Einer der Initiatoren, der frühere Vorsitzende des Turnvereins Rengsdorf, Hans Hermann Börder, erinnert sich noch stolz: 1960 ist es uns sogar gelungen, die Deutsche Waldlaufmeisterschaft nach Rengsdorf zu holen.“ 

1967 fand dann als weiterer Vorläufer des Volkswandertages der 1. Internationale Volkslauf und Volksmarsch in Rengsdorf mit über 3100 Teilnehmern statt – Ausrichter war der Leichtathletikverband Rheinland

Der VoWader Volkswandertag

Da die Bereitschaft zum Kunstturnen in den 60er Jahren zurückging, beschloss der Verein, mit der Wandersparte ein neues Buch in der Vereinsgeschichte aufzuschlagen. 1970 fand dann der erste Volkswandertag statt. Dass dieser mehr als eine regionale Veranstaltung war, zeigte bereits das Jahr 1973, als der Volkswandertag wegen der Ölkrise ausfallen musste: Viele Teilnehmer kamen von außerhalb und hätten Rengsdorf wegen des Fahrverbots nicht erreicht.

Die Ausschreibung des ersten VoWa im Prospekt (heute würde man es „Flyer“ nennen) war kurz und knackig

Im Jahre 1983 dachten die Verantwortlichen daran, die Veranstaltung um eine attraktive Herausforderung zu erweitern, und sie nahmen die 50-Kilometer-Strecke, den Westerwaldmarsch“, ins Programm auf. Viele Teilnehmerinnen und Teilnehmer aus Rengsdorf und Umgebung nahmen diese sportliche Herausforderung an und bewältigten diese Strecke, die wegen des anspruchsvollen Profils und der Länge besondere Schwierigkeiten bietet. In den besten Jahren waren es über 100 Teilnehmer, die sich auf die Langstrecke über 50 km machten.

Heute ist die Veranstaltung ist nicht mehr so groß wie in früheren Zeiten, zu stark ist die Konkurrenz geworden. 500 bis 700 Menschen verteilen sich über den Tag, und das ist gerade recht, denn so bleibt der Charakter der Veranstaltung familiär und gemütlich. Dennoch – oder vielleicht deswegen – hat es der VoWa in die internationale Presse geschafft: Das time Magazin berichtete im Juli 2004 unter dem Titel “Taking it all in Stride – How generations have found fun and friendship on hikes in the German countryside“ ein wenig skurril:

An wackligen Biergartentischen unter mächtigen Buchen an der 6-Kilometer Station zechen die Leute gutes Bier, mampfen leckere Würstchen und freuen sich an der angenehmen Gesellschaft Fremder. Kinder spielen im Unterholz Verstecken. Ich lasse einfach meine Füße ausruhen, die schon an unerwarteten Stellen zu stechen beginnen, und lasse meine Augen umherschweifen – bis wir wieder aufbrechen. Es mag sein, dass dies keine unberührte Natur und romantische Einsamkeit ist – aber es ist mit Sicherheit Spaß.

Der Westerwaldlauf

Als Ende der 90er Jahre das Wandern ein bisschen aus der Mode kam und die Resonanz auf der 50 -km – Strecke nachließ, überlegte der Vorstand des Vereins um Jürn und Gitta Albrecht, die lange Strecke aus dem Angebot zu nehmen und nur die „kürzeren“ Abschnitte anzubieten – immerhin noch 10, 20 und 30 Kilometer. Denn der Aufwand, über insgesamt 70 Kilometer Wege zu markieren, ist enorm: Die Strecken, die ja jedes Jahr durch einen anderen Teil der Region führen, werden seit 30 Jahren von Harald Groß rechtzeitig festgelegt und mit den Förstern abgestimmt, sie müssen mit Schildern, Wegeabsperrungen und Kilometerangaben versehen werden, es müssen Verpflegungs-stationen eingerichtet werden, und nach der Veranstaltung muss auch alles wieder in den ursprünglichen Zustand gebracht werden.

Man entschloss sich jedoch, die 50 – km – Langstrecke beizubehalten und sie als Ultramarathon ohne Zeitmessung für Läuferinnen und Läufer zu öffnen. Waren es im ersten Jahr nur eine Handvoll, so hatte sich die Attraktivität der Veranstaltung doch schnell herumgesprochen. Bald wurden es in einzelnen Jahren fast 200 Läuferinnen und Läufer, die laufend die Distanz bewältigten. Es kamen Sportlerinnen und Sportler aus ganz Deutschland, in manchen Jahren gar aus europäischen Nachbarländern. Und damit gibt es den Westerwaldlauf auch schon wieder seit 23 Jahren.

Die Rückmeldungen der Läufer sind durchweg begeistert; stellvertretend für viele seien Ute und Uwe aus Münster zitiert, die 2018 ins Gästebuch schrieben:

Dank für die mehr als gelungene Veranstaltung. Die Streckenmarkierung war so hervorragend, dass ein Verlaufen absolut unmöglich war. Außerdem war man fast immer sicher, auch wirklich richtig zu sein. Die 50-km-Strecke war dieses Jahr wieder ein absolutes Erlebnis: sehr abwechslungsreich, herrliche Natur und anspruchsvolle Trails. Danke für die endlose Mühe bei der Planung und Vorbereitung. Ein dickes Dankeschön auch für die unermüdlichen Helfer an den Verpflegungsstellen. Wir waren jetzt zum dritten Mal dabei und kommen bestimmt wieder!

Und weiter?

Viele Wanderer haben der Strecke die Treue gehalten; die meisten von ihnen sind jedes Jahr dabei. Und ihre Rückmeldung ist nicht weniger enthusiastisch; so meint Michael aus Neuwied im Gästebuch: „… wir waren wieder begeistert von der tollen Organisation auf einer wunderschönen Strecke! Angesichts des zudem noch idealen Wetters sind wir die 32 km Tour gewandert – es war einfach herrlich! Kompliment und vielen Dank, auf ein Neues im nächsten Jahr!“

An den Verpflegungsstationen sammelt sich immer alles – im Wald, in den Bachtälern und auf den Hochflächen ist man dann eher allein – statistisch gesehen alle 140m ein Mensch

2015 kam dann ein schwarzes Jahr für die Veranstaltung. Der Verein war in Würde gealtert, und mit ihm auch die Mitglieder. Der hohe Arbeitsumfang konnte vom Verein nicht mehr aus eigener Kraft gestemmt werden, und die Veranstaltung fiel aus. Aber jedes Scheitern bietet auch die Chance für einen Neubeginn, und Vorstand, Ortsgemeinde als Mitveranstalter und Vereinsmitglieder nutzten die Möglichkeit der Umstrukturierung. Und mit der personellen Unterstützung durch andere Rengsdorfer Vereine klappte auch der Personaleinsatz.

Als dann 2020 die Pandemie kam, boten der Turnverein an, die Strecke individuell zu wandern. Der Verein stellte für den gesamten Mai 2020 die Strecke als gpx-Datei auf der Homepage ein, so dass man sie sich runterladen und sich vom Handy leiten lassen konnte.

Und 2021, als lange nicht klar war, ob überhaupt gemeinsam gewandert werden durfte, entschied man sich für eine Verlegung in den Herbst. So konnte nach Kontrolle der Impfausweise wahlweise eine 10 – oder 20 – km – Strecke gewandert oder gelaufen werden. In diesem Jahr versuchte der Verein, die Müllmenge durch verschiedene Maßnahmen drastisch zu reduzieren – das gelang beeindruckend. Wo sonst um die 40 Müllsäcke am Ende des Tages entsorgt werden mussten, waren es diesmal nur eine Handvoll.

2022 fand dann die 50. „Jubiläumsausgabe“ statt, und sie war so, wie sich das alle Beteiligten erhofft hatten: schönes Wetter, eine Veranstaltung, bei der zusammen gewandert, zusammen gegessen und getrunken, zusammen erzählt werden konnte. Und es konnten Mitglieder geehrt werden, die seit der ersten Auflage des Wandertages als Helfer dabei waren, andere, die bereits bei der ersten Auflage teilgenommen hatten und heute immer noch helfen.

Wenn die Statistik nicht lügt, sind die Rengsdorfer in all den Jahren 12 mal um die Erde gewandert, und sie sind immer noch nicht angekommen.  Sie hoffen ganz fest, dass es noch ein paar Jahrzehnte so weitergeht. Der 100. Geburtstag des Volkswandertages– das wäre nicht schlecht.

TH

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